Vor vier Tagen
Der Gang war schlecht beleuchtet, doch das störte die beiden Lords nicht, ganz im Gegenteil. Was sie zu besprechen hatten, ließ sich besser im Zwielicht klären. Nicht, dass sie sich gefürchtet hätten, ihre Meinung offen zu sagen, als Krieger war Furcht für sie nur ein weiterer Feind, dazu einer, den sie bereits unzählige Male bezwungen hatten. Dennoch wussten sie natürlich auch, dass es sich nicht lohnte, unnötige Risiken einzugehen. Die Grenze zwischen heldenhafter Tapferkeit und tollkühnem Wagemut war schmal und wer sie zu oft überschritt, lebte zumeist nicht lange genug, um ein Lord ihres Volkes zu werden.
„Dasss ist Wahnsinn, sage ich.“, lispelte Kalar. Wie die meisten seines Volkes neigte er zu diesem Sprachfehler, wenn er sich aufregte. „Wir sollten unsss darauf besinnen, wer wir ssind. Statt unsseren alten Feind zu bekämpfen, sollen wir gegen Wilde kämpfen. Darin liegt keine Ehre.“ Er atmete tief ein. „Wir müssen die Magierin in ihre Schranken verweisen. Ein Volk von Kriegern muss auch von Kriegern geführt werden. Sie muss begreifen, dass die Sprücheweber nichts als ein Werkzeug in unseren Händen sind. Es hat viele Jahre gedauert, uns von unserem Fehler reinzuwaschen und unsere Ehre wiederzugewinnen. Nun sind wir aufs Neue erstarkt und bereit, diesen Katzen den Garaus zu machen. Was sagst Du? Bist Du dabei?“
Sein Gegenüber sah ihm nicht ins Gesicht. Seine Worte sorgfältig abwägend, antwortete er schließlich. „Du hast Recht, wenn Du sagst, dass wir Lords unser Volk führen sollten. So ist es seit ewigen Zeiten gewesen und so muss es bleiben. Doch hast Du die Mehrheit der Lords auf Deiner Seite? Einige Lords, mit denen ich sprach, schienen mir eher ... unentschlossen.“
Kalar konnte seine Enttäuschung nur mühsam verbergen. In den letzten Tagen hatte er unzählige Lords um ihre Unterstützung gebeten und die Antworten ähnelten sich alle. Wenn er genügend Verbündete hätte, wäre jeder der Lords bereit gewesen, sich auf seine Seite zu schlagen. So aber warteten sie feige ab, wer dieses Kräftemessen für sich entscheiden würde. War sein Volk wirklich so verweichlicht, dass selbst die Lords sich nicht trauten, der Magierin die Stirn zu bieten? Er hatte es nicht geglaubt, doch mit jedem Gespräch geriet seine anfängliche Zuversicht mehr ins Wanken und er wusste nicht mehr, was er sagen sollte. Sollte er so dumm sein, seine Brüder dadurch zu beleidigen, dass er ihnen Feigheit unterstellte, würden er der Magierin direkt in die Hände spielen. Seine Brüder würden sich offen zu der Sprücheweberin bekennen und er stünde auf jeden Fall allein. Er musste sich zusammenreißen. Letztendlich brachte er ein paar passende Worte heraus, drehte sich um und ließ den Anderen stehen. Er musste nachdenken.