[Event] Eine alte Macht erhebt sich

  • Vor vier Tagen


    Der Gang war schlecht beleuchtet, doch das störte die beiden Lords nicht, ganz im Gegenteil. Was sie zu besprechen hatten, ließ sich besser im Zwielicht klären. Nicht, dass sie sich gefürchtet hätten, ihre Meinung offen zu sagen, als Krieger war Furcht für sie nur ein weiterer Feind, dazu einer, den sie bereits unzählige Male bezwungen hatten. Dennoch wussten sie natürlich auch, dass es sich nicht lohnte, unnötige Risiken einzugehen. Die Grenze zwischen heldenhafter Tapferkeit und tollkühnem Wagemut war schmal und wer sie zu oft überschritt, lebte zumeist nicht lange genug, um ein Lord ihres Volkes zu werden.
    „Dasss ist Wahnsinn, sage ich.“, lispelte Kalar. Wie die meisten seines Volkes neigte er zu diesem Sprachfehler, wenn er sich aufregte. „Wir sollten unsss darauf besinnen, wer wir ssind. Statt unsseren alten Feind zu bekämpfen, sollen wir gegen Wilde kämpfen. Darin liegt keine Ehre.“ Er atmete tief ein. „Wir müssen die Magierin in ihre Schranken verweisen. Ein Volk von Kriegern muss auch von Kriegern geführt werden. Sie muss begreifen, dass die Sprücheweber nichts als ein Werkzeug in unseren Händen sind. Es hat viele Jahre gedauert, uns von unserem Fehler reinzuwaschen und unsere Ehre wiederzugewinnen. Nun sind wir aufs Neue erstarkt und bereit, diesen Katzen den Garaus zu machen. Was sagst Du? Bist Du dabei?“
    Sein Gegenüber sah ihm nicht ins Gesicht. Seine Worte sorgfältig abwägend, antwortete er schließlich. „Du hast Recht, wenn Du sagst, dass wir Lords unser Volk führen sollten. So ist es seit ewigen Zeiten gewesen und so muss es bleiben. Doch hast Du die Mehrheit der Lords auf Deiner Seite? Einige Lords, mit denen ich sprach, schienen mir eher ... unentschlossen.“
    Kalar konnte seine Enttäuschung nur mühsam verbergen. In den letzten Tagen hatte er unzählige Lords um ihre Unterstützung gebeten und die Antworten ähnelten sich alle. Wenn er genügend Verbündete hätte, wäre jeder der Lords bereit gewesen, sich auf seine Seite zu schlagen. So aber warteten sie feige ab, wer dieses Kräftemessen für sich entscheiden würde. War sein Volk wirklich so verweichlicht, dass selbst die Lords sich nicht trauten, der Magierin die Stirn zu bieten? Er hatte es nicht geglaubt, doch mit jedem Gespräch geriet seine anfängliche Zuversicht mehr ins Wanken und er wusste nicht mehr, was er sagen sollte. Sollte er so dumm sein, seine Brüder dadurch zu beleidigen, dass er ihnen Feigheit unterstellte, würden er der Magierin direkt in die Hände spielen. Seine Brüder würden sich offen zu der Sprücheweberin bekennen und er stünde auf jeden Fall allein. Er musste sich zusammenreißen. Letztendlich brachte er ein paar passende Worte heraus, drehte sich um und ließ den Anderen stehen. Er musste nachdenken.

  • Vor zwei Tagen


    Als Luniver die Halle der Lords betrat, waren bereits alle Stühle besetzt. Ohne Eile durchquerte sie den Raum. Ihre zwölf Vertrauten folgten ihr. Zwar waren sie alle Meister der arkanen Küste, doch Luniver übertraf sie bei weitem. Als die letzte Person den Raum betrat, setzte ein leises Wispern ein. Ein Mann. Seit vielen Jahren hatte kein Mann mehr den Weg der Magie beschritten. Luniver lächelte in sich hinein. Sie hatte lange überlegt, ob sie ihren neuesten Jünger mitnehmen sollte. Ein Mann, der Magie wirkte! Das war so sehr gegen die Tradition, dass selbst die begabtesten Studenten letztendlich meist den Weg des Kriegers wählten. Bis jetzt hatte sie sich gefragt, ob sie den Lords nicht zu viel zumutete. Ihre Zukunftspläne für ihr Volk waren revolutionär, das war ihr klar. Manche der Lords, wie der alte Kalar, nannten sie sogar irrwitzig. Daher war sie unsicher gewesen, ob dieser neuerliche Bruch der Tradition sie nicht sogar die dringend benötigte Unterstützung der Lords kosten würde. Doch nun, als ihr Jünger hinter ihr den Saal durchschritt, spürte sie keinen Ärger, sondern nur Unsicherheit bei den ach so tapferen Lords. Nun wusste sie, dass sich das Risiko gelohnt hatte.
    Gemäß ihren Anweisungen waren am Kopfende des Tisches keine Stühle aufgestellt worden. Dort nahmen sie und ihre Vertrauten nun mit geradezu militärischer Präzision Aufstellung. Mit gefalteten Händen wartete sie geduldig, bis die Gespräche abgeflaut waren und sie der ungeteilten Aufmerksamkeit aller Anwesenden sicher sein konnte.


    „Meine verehrten Lords. Ich danke euch, dass ihr meiner bescheidenen Bitte so zahlreich nachgekommen seid. Unser Volk braucht euch heute mehr denn je.“ Ein wenig Schmeichelei konnte für den Anfang nicht schaden, doch sie wusste, dass es mehr brauchte, um die Lords aufzurütteln. Nun stützte sie die Hände auf den Tisch und beugte sich vor. „Wir waren einst ein Volk von Kriegern, doch seitdem wir der Knechtschaft des Einen entronnen sind, haben wir nichts geleistet. Oh ja, wir haben überlebt. Unsere Zahl ist sogar wieder gewachsen. Aber ist dies genug? Wie ich sagte: Wie WAREN ein Volk von Kriegern. Jetzt verkriechen wir uns wie Tiere in Höhlen und scheinen kaum in der Lage zu sein, die sporadischen Angriffe einzelner Abenteurer abzuwehren.“ Ihre Stimme war im Laufe ihrer kleinen Rede immer lauter geworden, teils aus Berechnung, teils um das empörte Murmeln der Lords zu übertönen. Nun wartete sie einige Sekunden, bevor sie mit sanfter Stimme fortfuhr. „Ich weiß, dass manche sie gerne noch als Wilde bezeichnen, doch steht fest, dass die Menschen zu einem ernstzunehmenden Gegner geworden sind. Einem würdigen Gegner für unser Volk.“


    Noch während sie sprach, war Kalar aufgesprungen. Sein Gesicht war von blankem Hass verzerrt. „Das ist Wahnsinn und Ihr wisst es. Schlimmer noch, es ist unehrenhaft. Die Menschen ein würdiger Gegner? Die meisten von ihnen sind Bauern, Händler und Handwerker.“ Voller Verachtung spie er die Worte aus. „Ist das der Gegner, gegen den ihr unser Volk führen wollt? Ein Magier an der Spitze eines Volkes von Kriegern, die gegen einfache Bauern zieht? Ist das Eure Vorstellung von Ehre? Das entspricht nicht ‚Dem Weg’.“


    „Mein lieber Kalar...“ begann Luniver, doch der Krieger unterbrach sie. „Folge Dem Weg und du gelangst nach dem Tode in die Große Halle der Ehre. So steht es geschrieben. Doch ihr wollt unser Volk ins Verderben stürzen. Das werde ich nicht zulassen.“
    Luniver lächelte ihn an, was den Lord noch mehr in Rage versetzte. Sie wusste, er war nur noch einen Schritt von seiner Vernichtung entfernt. Und wenn er ausgeschaltet wäre, würden die anderen Lords sich ihr nicht verweigern.
    „Die Götter selbst haben unser Volk zu Großem ausersehen. Ihr könnt Euch den Göttern nicht verweigern.“, belehrte sie den Lord.
    Kalar wusste, dass er einen Fehler beging, sie so offen anzugreifen, doch er konnte sich nicht mehr beherrschen. Tage der Frustration brachen sich nun Bahn. „Das ist ein feige Lüge“, schrie er. „Es ist allein Euer Wille, der unser Volk ins Verderben führen wird und ich werde es euch beweisen.“
    Die Magierin wollte vor Freude laut auflachen, beherrschte sich aber. Stattdessen setzte sie eine traurige Miene auf. „Tut, was immer ihr glaubt, tun zu müssen. Doch ich wünschte, ihr würdet Euch besinnen.


    Es gab nun kein Zurück mehr, das war Kalar klar. Er war der Magierin in die Falle getappt wie ein grüner Rekrut. Er hätte es besser wissen müssen. Er spürte die Blicke der anderen Lords wie Dolche auf seiner Haut. Langsam nickte er. „So soll es sein.“, sprach er mit fester Stimme. Langsam griff er nach Bogen und Köcher, die – wie bei den anderen Lords auch – neben ihm am Tisch lehnten und spannte den Bogen. Den Bogen in der Linken und einen Pfeil in der Rechten wartete er. Sein Zorn war verraucht und eine tiefe Ruhe erfüllte ihn. Was immer in den nächsten Minuten geschehen würde, danach brauchte er sich um die Magierin nicht mehr zu Sorgen. Er lächelte leicht spöttisch. Selbst in Gedanken scheute er davor zurück, sie beim Namen zu nennen. Respekt vor dem Feind, das war Der Weg. Mit wieder vollkommen ernstem Gesicht neigte er leicht den Kopf in ihre Richtung. „Luniver.“ So, nun hatte er ihn ausgesprochen. Sie erwiderte den Gruß. „Kalar!“
    Reglos standen sich die beiden Kontrahenten gegenüber. Kalar war längst kein junger Mann mehr, doch in Sachen Geschwindigkeit und Treffsicherheit brauchte er sich vor keinem der jüngeren Lords zu verstecken. Und als er sich schließlich bewegte, schienen die Jahre gänzlich von ihm abgefallen zu sein. Den Pfeil auflegen, den Bogen anheben, spannen und zielen. Luniver stand nach wie vor reglos da. Sie hatte gerade noch Zeit, zwei kleine Worte murmeln, da ließ er den Pfeil auch schon los. Niemals war er schneller gewesen. Ein perfekter Bewegungsablauf wie man ihn vielleicht einmal im Leben erreichen kann. Bis er den Schmerz spürte und sein linker Arm sich verkrampfte und den Pfeil, der die Sehne bereits verlassen hatte eine Winzigkeit zur Seite lenkte. Schon griff er nach dem nächsten Pfeil, obwohl er wusste, dass es zu spät war. Der erste Pfeil hätte treffen müssen, doch zischte er knapp an Luniver vorbei. Sie hatte nicht einmal mit der Wimper gezuckt. Vielleicht besaß sie mehr Ehre, als er gedacht hatte. Seelenruhig wartete sie ab, während er versuchte, den zweiten Pfeil aufzulegen. Doch die Krämpfe hatten sich nun auch auf seinen rechten Arm ausgebreitet. Er wusste, dass er diesen Pfeil nicht mehr abschießen würde. Als er auf dem Tisch zusammensank, fiel der Pfeil aus seinen zuckenden Fingern.


    Luniver wartete, bis Kalar sich nicht mehr bewegte. Dann erhob sie die Stimme. „Er war ein tapferer Mann. Fehlgeleitet, doch seine Tapferkeit oder seine Ehre stehen außer Frage. Dereinst werden wir ihn in der Großen Halle der Ehre wiedertreffen. Und in einem hatte er Recht: Es liegt keine Ehre darin, gegen Bauern zu kämpfen. Doch ich will euch nun erklären, welchen Weg die Götter für uns vorgesehen haben. Es wird nicht einfach sein, denn die Stadt ist stark befestigt und seine Bewohner sind mutige Krieger. Sie ist die dem Prinzip der Ehre geweiht...“

  • Heute in Britain


    Hauptmann Harman war gerade von einem Ausritt zurückgekehrt, als ein junger Leutnant mit hochrotem Kopf auf ihn zugestürmt kam. „Hauptmann....“, keuchte er. „Endlich ha...“ Taumelnd kam er vor Harman zum Stehen. „... gefunden.“ beendete er seinen Satz atemlos. Der Ältere sah ihn missbilligend an. Die Jugend von heute... Keine Disziplin.
    „Ist das eine Art, seinem Vorgesetzten Meldung zu machen, Leutnant?“, bellte er.
    Der junge Offizier atmete noch einmal kurz durch, dann nahm er Haltung an und die Worte sprudelten geradezu aus ihm heraus: „Nein, Herr Hauptmann, bitte um Verzeihung, Herr Hauptmann. Melde gehorsamst die Einnahme von Trinsic durch eine feindliche Invasionsmacht.“
    „Bist Du betrunken, Mann?“, bellte der verblüffte Hauptmann.
    „Melde gehorsamst nein, Herr Hauptmann. Die Meldung kam gerade herein. Die Juka haben die Stadt überrannt. Auch Echsenmenschen waren dabei. Der Bote wartet in Euerem Büro. Ich habe einige Zeit gebraucht, Euch zu finden.“ Die letzten Worte rief er dem Hauptmann hinterher, der wieder auf sein Pferd gesprungen war und im gestreckten Galopp zur Burg ritt.

  • Heute im Ratssaal in Britain


    Hauptmann Harman beendete seinen Bericht. „Ihr seht also, es ist alles vorbereitet. Morgen Abend wird Trinsic wieder in unserer Hand sein.“ Er setzte sich und sah in die Gesichter der Räte, die seinen Ausführungen gelauscht hatten.
    Sir Darion, der Verwalter von Britain und Vorsitzender des neugeschaffenen Rates, dankte ihm mit einem kurzen Nicken. „Eure Ausführungen waren sehr aufschlussreich, Hauptmann. Ich danke Euch.“ Er stützte die Ellbogen auf den Tisch und legte nachdenklich die Fingerspitzen aneinander. „Wie ihr bereits ausführtet, sind die Juka durchaus ernstzunehmende Gegner und die Situation ist ernst. Bevor wir also endgültig zur Abstimmung schreiten, sollte daher jedes Mitglied dieses Rates Gelegenheit haben, sich noch einmal zu äußern. Er wandte sich dem Mann zu seiner Linken zu. „Sir Andor, vielleicht möchtet Ihr beginnen?“ Der breitschultrige Mann, der nicht zu Unrecht den Beinamen Axtschwinger trug, schlug mit der geballten Faust auf den Tisch. „Harman hat Recht“, dröhnte er, „schicken wir die Echsen in den Abyss. Sie sollen bluten!“


    Loravic unterdrückte ein Schmunzeln. Sir Andor liebte es, den wilden Mann zu markieren, doch der Hofschreiber wusste, dass der Krieger auch ein exzellenter militärischer Stratege war. Über die Jahre hatte Andor die Bibliothek unzählige Male besucht, um alte Manuskripte zu studieren. Beinahe automatisch machte er eine entsprechende Notiz, als auch Jim Kendall, der Verwalter von Minoc seine Zustimmung bekundete. Nun wandte er seine Aufmerksamkeit dem Abgesandten von Nujel’m zu, der soeben aufgestanden war und sich leicht vor Sir Darin verbeugte. „Meine verehrten Vorredner haben Recht, der Bedrohung durch die Juka muss Einhalt geboten werden und wer ist Sherzane an Benlimon, dass er dem Plan solch tapferer Krieger und weiser Männer etwas hinzuzufügen hätte? Ein armer Kaufmann fühlt sich geehrt, dass in solch illustrer Runde sein Rat gewünscht wird, doch kann ich mich den Ausfühungen meiner Vorredner nur anschließen.“ Ein leises Husten war zu hören. Die feine Seide seines Gewandes raschelte leicht, als der "arme Kaufmann" sich wieder setzte.
    Sir Darion nickte und richtete seine Aufmerksamkeit nun auf Basil Leeland, doch der Verwalter von Moonglow winkte ab.
    Auch die nächsten Ratsmitglieder hatten nichts hinzuzufügen. Als die Reihe an Sir Auston kam, erhob der Bürgermeister von Vesper sich würdevoll und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Er räusperte sich leise und hob dann an: „Lange Zeit war unser Reich nun ein Hort des Friedens und des Wohlstandes. Die Invasion einer unserer Städte durch subversive Elemente wie die Juka können wir nicht dulden. Da der verehrte Hauptmann sicher noch viel vorzubereiten hat, möchte ich nicht lange um den heißen Brei herumreden, sondern ohne Umschweife zum Thema kommen. Sicher werde ich nichts als Zustimmung erhalten, wenn ich sage...“. Er unterbrach sich, als von Sir Andor ein Knurren zu hören war. Die Landkarte, die dieser vor sich auf dem Tisch ausgebreitet hatte, vibrierte leicht im Luftzug.
    Sir Auston der Dritte räusperte sich erneut. Sein rundes Gesicht hatte nun die Farbe reifer Tomaten angenommen. „... wenn ich sage, dass ich dem Plan voll und ganz zustimme.“, beendete er seine Rede, während er sich hastig setzte.
    Darion lächelte, als er seinen Blick auf das einzige weibliche Mitglied des Rates richtete. „Weise Synaeva, habt ihr noch etwas hinzuzufügen?“
    Die alte Elfin aus Heartwood schüttelte langsam den Kopf. „Es ist keine Freude, ein solches Blutvergießen zu planen oder die tapferen Kinder von Elfen und Menschen in den Kampf und vielleicht in den Tod zu schicken. Und mein Herz sagt mir, dass dies noch nicht das Ende ist. Die Juka mögen ein kriegerisches Volk sein und sie sind weder den Menschen noch meinem Volk in Freundschaft verbunden, doch dieser Angriff scheint so untypisch für sie zu sein...“ Sie zuckte hilflos die Schultern. „Ich fürchte, die Wurzel dieses Übels reicht tiefer und noch ist sie uns verborgen. Doch ob die Juka nun aus eigenem Entschluß gehandelt haben oder nicht, wenn man uns angreift, müssen wir uns verteidigen.“ Sie lehnte sich zurück, um anzuzeigen, dass sie nichts hinzuzufügen hatte.


    Sir Darion erhob sich. „Nun, dann ist es an der Zeit, zur Abstimmung zu schreiten. Wer für Hauptmann Harmans Plan ist, möge bitte die Hand heben.“

  • prima video! leider konnte ich um 17.00 uhr noch nicht dabei sein. es wäre schön, wenn das nächste event später starten könnte, so dass auch player mit kindern daran teilnehmen können. ansonsten: weiter so und vielen dank für euer außergewöhnliches engament.


    beste grüße aus dem (bewölkten) harz

  • Gestern Abend:


    Dunkelheit umhüllte sie. Niemals hatte sie sich so geborgen gefühlt. Wie lange sie schon durch das Dunkel trieb, hätte sie nicht zu sagen gewusst. Zeit spielte an diesem Ort keine Rolle. Nichts spielte hier eine Rolle. Sie spürte ihren Körper nicht. Hatte sie überhaupt einen Körper? Auch das spielte keine Rolle. Plötzlich bemerkte sie das Flüstern. War es schon die ganze Zeit da gewesen? Doch nun, da sie sich dessen bewusst war, wurde das Flüstern lauter.


    Luniver... Mit ihrem Namen kamen auch die Erinnerungen zurück. Die Menschen hatten ihr Volk niedergemetzelt und ihren Champion besiegt. Fast all ihre Kräfte hatte sie ihm übertragen und sein Tod hatte sie bis an die Grenze der völligen Erschöpfung geschwächt. Ihre letzten Reserven hatte sie für die Flucht aufwenden müssen. Danach war es dunkel geworden.
    Luniver, wisperte es erneut. „Wer bist Du?“, versuchte sie zu fragen, doch sie hatte weder Stimmbänder noch Zunge. Du weißt, wer ich bin. Die Stimme klang sanft und angenehm. Und sie hatte Recht. Schon ihr ganzes Leben hatte sie diese Stimme gehört, es war ihr früher nur nie bewusst gewesen. Doch immer, wenn Zweifel sie quälten oder sie bei ihren Studien nicht weiterkam, hatte die Stimme zu ihr gesprochen. Ganz leise nur, doch danach war alles viel klarer erschienen. Nun wusste sie, wer da zu ihr sprach.


    Gut. Die Stimme war erfreut. Es wird Zeit, zurückzukehren. Du hast noch viel zu tun.


    „Ich habe versagt, Herr. Wir konnten Trinsic nicht halten und die Menschen haben Dein Volk abgeschlachtet.“
    Nein, beruhigte er sie. Trinsic war nur der Anfang. Es stimmt, viele sind gefallen, doch der Großteil der Juka hat überlebt. „Aber Trinsic...“ Trinsic ist unwichtig. Die Stadt war nur der Amboss, auf dem Du zu einer noch mächtigeren Waffe geschmiedet wurdest. Du bist nun bereit.


    „Bereit wofür, Herr?“ Du wirst es erfahren, hab keine Sorge, mein Kind. Die Zeit ist nah. Doch nun öffne Deine Augen.
    Nur ungern wollte Luniver diesen Ort verlassen. Ruhig und geborgen fühlte sie sich in der Gegenwart ihres Gottes. Doch ihr Gott brauchte sie draußen in der Welt. Sie öffnete die Augen und blickte in das überraschte Gesicht ihres Jüngers.

  • Vor zwei Stunden:


    Lunivers Jünger Aled hatte ihrer Erzählung voller Staunen gelauscht. Vieles hatte sie selbst noch nicht verstanden und immer wieder war sie von Hustenanfällen unterbrochen worden. Ihre Kehle hatte sich so trocken angefühlt. Zwar hatte Aled ihr während ihrer Bewusstlosigkeit immer wieder tropfenweise Wasser eingeflößt, doch der feuchte Lappen, den er an ihren Lippen ausgedrückt hatte, war bei weitem nicht genug gewesen.
    Jetzt, nachdem sie einige Krüge geleert und danach mehrere Stunden geruht hatte, fühlte sie sich beinahe wieder so stark wie früher. Sie mustere ihren Jünger, der sie nach wie vor voller Staunen und Bewunderung ansah.
    „Die anderen dachten, Ihr würdet nie mehr erwachen“, erklärte er verlegen, „doch ich wusste, Ihr würdet uns in der Stunde der Not nicht verlassen.“ Sie schenkte ihm ihr strahlendstes Lächeln. Seine Verehrung war geradezu rührend, wenn auch – so meinte sie – nicht ganz unverdient. Sie hatte ihn selbst ausgebildet, als sich herausgestellt hatte, dass er zwar ein großes Potential zur Magie, jedoch leider keinerlei Fähigkeiten als Krieger hatte. Bücher und Spruchrollen waren seine Welt, ihn jedoch auch nur in die Nähe eines Schwertes oder Bogens zu lassen, endete meist in einer mittelschweren Katastrophe.


    Nun erhob sich die Zauberin von der Bettkante und tat ein paar vorsichtige Schritte. Aled sprang auf und glitt an ihre Seite, bereit sie aufzufangen, sollte die lange Bewusstlosigkeit sie zu sehr geschwächt haben. Doch seine Sorge war unbegründet. Ob es nun an der ihr eigenen Magie lag oder ob ihr Gott seine Hand im Spiel hatte, ihr Körper schien die letzten Wochen gut verkraftet zu haben.
    „Ich werde meditieren“, teilte sie ihrem Jünger mit. „Unser Gott wird mir mitteilen, was wir zu tun haben. Das wird Dir die nötige Zeit geben, festzustellen, wer noch auf meiner Seite steht. Ich erwarte einen vollständigen Bericht.“ Aled nickte.
    Die Juka setzte sich auf den Boden und schloss die Augen. Beinahe augenblicklich brandete die Dunkelheit heran und umfing sie wie ein warmer Mantel oder die Umarmung eines Liebhabers.

  • Der Plan schien ebenso einfach wie genial. Die Macht ihres Gottes würde, wenn sie korrekt kanalisiert wäre, die Juka zu einer unüberwindbaren Macht werden lassen. Ein sterblicher Körper würde dazu selbstverständlich nicht in der Lage sein, doch auch für dieses Problem hatte ihr Gott eine Lösung parat gehabt. Endlich würden sie wieder ihren rechtmäßigen Platz in der Ordnung der Welt einnehmen und die Menschen hätten keine andere Wahl, als sich vor ihnen zu verneigen... oder unterzugehen.


    Luniver ließ ihren Blick über die Versammlung schweifen. Die Lords hatten sich nicht so zahlreich eingefunden, wie sie gehofft hatte, doch zumindest die Magierinnen standen noch vollständig hinter ihr.
    „Unser Gott hat mir den Weg gewiesen. Wir sind noch nicht geschlagen. Zwar konnten wir Trinsic nicht halten, doch im Plan unseres Gottes ist dies nur nichts als ein kleiner, sogar unwichtiger Rückschlag. Wir werden ein Artefakt schaffen, wie es die Welt noch nicht gesehen hat. Wer uns dabei unterstützt, meine Freunde, wird nicht vergessen werden, wenn sich die Waagschale zu unseren Gunsten neigt und es gilt, die Welt unter uns aufzuteilen.“


    „Und wie, erlauchte Magierin, soll dies geschehen?“ Die Frage kam von einem der jüngeren Lords. Luniver lächelte und tippte sich an die Schläfe. „Unser Gott hat mir einen Plan eingegeben, der nicht fehlschlagen kann.“, erklärte sie dem Vorwitzigen geduldig. „Doch nun, meine Freunde, sagt mir... was wisst ihr von den Künsten des Erzabbaus und der Architektur?“



    Zur gleichen Zeit im Castle von Britain


    Loravic saß allein im Ratssaal und starrte ins Leere. Die Rüstung, die sich ihm gegenüber an der Wand befand, sah er schon lange nicht mehr. Stattdessen lief vor seinem geistigen Auge immer wieder die Befreiung von Trinsic ab. Die Invasion der Echsen war in einem gewaltigen Streich zerschlagen worden und nach den Berichten, die er regelmäßig erhielt, war das Leben in der Stadt wieder zur Normalität zurückgekehrt. Alles schien in bester Ordnung.
    „Nichts ist in Ordnung“, platzte es aus ihm heraus. Die Rüstungen nahmen von seinem Ausbruch verständlicherweise keine Notiz. Es war alles falsch. Die Juka waren kein Volk, das eine Niederlage so einfach hinnahm. Schon die Besetzung von Trinsic war ein Akt des Wahnsinns gewesen. Was hatte die Echsen nur glauben lassen, die Stadt dauerhaft halten zu können. Blanker Irrsinn. Und nun? Stille. Schon kurz nach der Befreiung der Stadt hatte er mit einem weiteren Schlag der Juka gerechnet. Aber es geschah... nichts. Nicht das geringste.


    Müde rieb er sich die Nasenwurzel. „Vielleicht werde ich paranoid.“ Er grinste freudlos. „Und Selbstgespräche führe ich nun auch noch.“ Paranoid und senil, das war zuviel. Nun gut. Solange sich die Juka ruhig verhielten, konnte er nichts unternehmen. Dennoch wurde er das Gefühl nicht los, dass ihm etwas Wichtiges entging.

  • Luniver lächelte zufrieden. Der Bericht war mehr als zufrieden stellend. Ihr Plan war endlich angelaufen, der Bau war begonnen. Nun trennten sie nur noch Tage von der Ankunft ihres Gottes und der absoluten Herrschaft der Juka über diese Welt. Und diese weichhäutigen Menschen ahnten von all dem nichts. Diesmal würde nichts sie aufhalten können.

  • Für alle, die noch ausreichend Energie für den Kampf gegen die Juka haben:


    In Ver Lor Reg hat sich ein Kopfgeldjäger namens Belk eingefunden und vergibt einen kleinen Zusatzauftrag. Zugegebenermaßen ein eher unangenehmes Individuum, aber in Krisenzeiten darf man wohl nicht allzu wählerisch sein. Dennoch soll hier nicht verheimlicht werden, dass manche Leute empfehlen, seine Finger zu zählen, nachdem man ihm die Hand gegeben hat. Skrupel kennt Belk kaum.


    Nachtrag:
    Aus clienttechnischen Gründen steht Belk nun bei Fähnrich Deakon am Zelt. Nun können auch Spieler, die mit ihrem Client nicht mehr nach Ver Lor Reg hineinkommen, die Quest annehmen.

    Einmal editiert, zuletzt von Eldan ()

  • Sir Andor schüttelte gereizt den Kopf. "Das bringt uns alles nicht weiter. Wir wissen nicht mehr als zu Beginn. Jeder Schwachkopf weiß, dass eine gute Aufklärung das A und O eines jeden Feldzugs ist und wir haben nicht einmal die geringste Ahnung, womit wir es zu tun bekommen werden."
    Das betretene Schweigen der anderen Ratsmitglieder hatte etwas Bedrückendes. Sir Auston III. richtete sich kurz auf und schien etwas anmerken zu wollen, doch ein giftiger Blick von Andor ließ den Bürgermeister von Vesper wieder in seinen Stuhl zurücksinken.


    Harman schwieg. Was er zur Verteidigung seiner Späher hätte anbringen können, war bereits gesagt worden. Die Juka bauten etwas, das war deutlich zu sehen. Und trotz aller Bemühungen war der Bau mit jedem verstrichenen Tag weiter gewachsen. Die Echsenmenschen gingen mit einer Beharrlichkeit zu Werke, die nicht zu übertreffen war. Das Gebäude – denn ein solches sollte es wohl werden – stand nun kurz vor der Vollendung. Doch war es ein Tempel? Oder doch eine Maschine? Oder beides? Der äußere Schein offenbarte nichts von der Funktion des Gebäudes. Schon seit Stunden saßen sie nun hier und stellten Theorien auf, äußerten Vermutungen und manche von ihnen – und bei diesem Gedanken warf er einen abschätzigen Blick in Sir Austons Richtung – schienen nur um des Redens Willen den Mund aufzutun. Wie Andor Axtschwinger bereits so treffend gesagt hatte, brachte sie dies der Lösung des Rätsels keinen Schritt näher.


    Das leise Rascheln feiner Seide unterbrach die Stille. Sherzane an Benlimon legte die Fingerspitzen aneinander und ergriff mit seiner leisen Stimme das Wort: "Dieser bescheidene Kaufmann ist mitnichten ein Experte in derlei kriegerischen Auseinandersetzungen doch will mir scheinen, dass wir doch einiges mehr wissen, als zu Beginn dieser traurigen Affäre." Er lehnte sich zurück und schien einige Sekunden interessiert die Decke zu betrachten, bevor er weiter sprach. "Wir wissen, dass die Juka etwas Großes planen. Ihre Verluste in den letzten Tagen und Wochen müssen fürwahr enorm gewesen sein. Niemand der klaren Verstandes ist, würde solche Verluste in Kauf nehmen, wäre da nicht das Versprechen auf einen noch größeren zukünftigen Gewinn."
    Auf manchem Gesicht seiner Ratskollegen stand deutlich geschrieben, was sie vom „klaren Verstand der Juka“ hielten. Doch Sir Andor bedeutete ihm mit einer knappen Geste mit seinen Ausführungen fortzufahren.
    "Sollte das Bauwerk der Juka nur ein Luftschloss sein... meine geschätzten Ratskollegen mögen mir dieses kleine Wortspiel verzeihen...". Der Kaufmann wedelte entschuldigend mit der Hand. "... sollte es also überhaupt nichts bewirken, was hätten wir zu befürchten? Gar nichts, sollte man meinen. Die ganze Aufregung wäre dann nur einem irrationalen religiösen Irrsinn der Echsenwesen geschuldet und wir müssten uns keine Sorgen machen. Doch – meine Freunde – WENN dem Bau ein tieferer Sinn innewohnt, dann wissen wir eine ganze Menge. Wir wissen, dass Blackrock eine wichtige Ressource des Baus darstellt. Die genauen Eigenschaften dieses Minerals sind zwar nicht zur Gänze bekannt, doch der Untergang von Haven ist noch nicht so lange her, als dass uns allen nicht noch das gewaltige Zerstörungspotential dieses Materials in Erinnerung wäre. In Verbindung mit dem Armageddon-Zauber reichte es aus, einen relativ harmlosen Dämon wie dem Diener der Semidar nahezu unüberwindliche Kräfte zu verleihen und so nebenbei eine ganze Stadt zu vernichten. Und bedenkt bitte, dass dieser Zauber nicht einmal zur Gänze ausgesprochen wurde. Hierzu sollte man auch in Betracht ziehen, dass die damals verwendete Menge von Blackrock vergleichsweise gering war, verglichen mit dem, was die Juka bereits abgebaut und für die Errichtung ihres Gebäudes verwendet haben." Sir Nigel war bei diesen letzten Worten noch blasser geworden. Als Bürgermeister sah er die Ruinen des alten Haven nahezu täglich und wollte lieber nicht daran denken, was eine vielfache Menge dieses gefährlichen Rohstoffs anrichten könnte.


    An Benlimon schien gleicher Meinung zu sein. "Man möge einem armen Kaufmann seinen Mangel an Mut verzeihen, doch ich fürchte, dass ich gar nicht so genau wissen möchte, WAS die Juka genau geplant haben, denn mir will scheinen, dass ihr Anliegen nichts Geringeres als das Ende der Zivilisation, so wie wir sie kennen, sein kann." Seine ohnehin stets leise Stimme war zu einem Flüstern geworden. "Eventuell sogar die Vernichtung allen menschlichen Lebens."


    Die Ausführungen des Abgesandten von Nujel'm waren völlig logisch, doch das Bild, welches er da malte war beinahe zu schrecklich, um es zu glauben. Sir Andor fing sich als erstes wieder: "Was wäre also Euer Vorschlag?"
    Der Kaufmann seufzte leise. "Nun, wer der völligen Vernichtung ins Auge sieht, darf in der Wahl seiner Mittel nicht zimperlich sein. Die Zerstörung des Bauwerks noch vor seiner Vollendung und die Vertreibung der Juka von Ilshenar scheinen mir unvermeidlich. Denn ist das Gebäude erst einmal vollendet, könnte es zu spät sein, noch Maßnahmen zu ergreifen. Wir sind es den Bürgern unseres Landes schuldig, sie vor dieser Gefahr zu schützen, was es uns auch kosten mag." Bei den letzten Worten hatte sein Gesicht einen leicht gequälten Ausdruck angenommen, doch in seinen Augen, die sonst immer ein wenig verschlafen wirkten, blitzte eisige Entschlossenheit.


    Sir Andor Axtschwinger ließ seine Faust mit solcher Gewalt auf den Tisch niedersausen, dass die Wasserkaraffen von der Tischplatte abhoben und einige Gläser umfielen. "Der Kaufmann hat recht", dröhnte er, "wir müssen so bald wie möglich zuschlagen. Hart und schnell! Danach wird das Gebäude geschleift." Er verschränkte die massigen Arme vor der Brust und wandte den Kopf nach rechts zu Sir Darion.
    Der Ratsvorsitzende sah in die Runde. Einige Räte nickten, andere sahen ihn nur mit unbewegter Miene an, doch aus den Gesichtern war deutlich ihre Meinung zu lesen. Darion nickte. Eine Abstimmung würde in diesem Fall wohl nicht nötig sein.


    Bereits kurze Zeit später machten sich Boten auf den Weg zu den verschiedenen Ausrufern. Die Entscheidung war gefallen. Die Armee und alle Freiwilligen, die sich nur finden ließen, würden am Sonntag zur sechsten Stunde des Nachmittags in die Schlacht ziehen. Eine Schlacht, welche vielleicht die Zukunft dieser Welt entscheiden würde.

  • An einem Ort zwischen des Welten des Multiversums...


    Noch immer trieb er durch diese unendliche Leere. Er war seinem Ziel so nahe gewesen. Die Juka hatten ihn im Stich gelassen. Das Werkzeug, welches er über Jahre hinweg so mühsam geschmiedet hatte, war bei der endgültigen Probe seiner Nützlichkeit zerbrochen. Ihr sterblicher Körper war von dem menschlichen Gewürm zerstört worden. Luniver! Er hätte schreien mögen vor Zorn, als seine Dienerin versagt hatte und das Gebäude in sich zusammenfiel. Doch selbst dies blieb ihm in der ewigen Stille und Dunkelheit der Leere versagt.


    Ein Teil seiner Essenz hatte bereits körperliche Form angenommen gehabt, doch der magische Rückstoß hatte ihn wieder weit zurückgeschleudert. Dennoch hatten ihn die Bemühungen der Juka seinem Ziel wenigstens ein Stück näher gebracht. Wenn diese verfluchte Echse doch nur noch ein wenig länger ausgehalten hätte.


    Er hasste sie für ihr Versagen, so wie auch alle anderen Wesen auf der Welt. Sobald er zurück war, würde er sich rächen. Die Sterblichen würden vor ihm knien, nein, im Staub kriechen und er würde sich an ihrer Agonie weiden, bevor er sie zertrat, wie die Insekten, die sie für ihn waren. Seine einstige Herrin würde sich vor ihm beugen müssen. Sie würde SEINE Dienerin sein. Mit all seiner jetzigen Macht würde er ihr so sehr überlegen sein wie sie den weiblichen Dämonen überlegen war, deren Gestalt sie trug. Sie würde leiden... Auch der dumme Narr, der es gewagt hatte, ihn über Jahre hinweg in einem Käfig gefangen zu halten, würde seine Macht zu spüren bekommen. Ihn würde er von allen Wesen als letztes vernichten, nachdem er seinen Geist wieder und wieder gebrochen hatte. Er hoffte so sehr, dass der Alte die Vernichtung der Stadt überlebt hatte, die ihn in vor all den Jahren in die Leere geschleudert hatte.


    Und war die verräterische Echse betraf... Lunivers Körper mochte zerstört sein, doch ihre Seele... Das Äquivalent eines schadenfrohen Lachens wogte durch seinen Geist... ihre Seele war dank ihrer Verbindung zu dem Gebäude ebenfalls in die Leere geworfen worden. Kurz hatte er mit dem Gedanken gespielt, seine geistigen Fühler auszustrecken und ihren schwachen Lebensfunken auszulöschen. Er wusste, dass er sie erreichen konnte, die Verbindung zwischen ihnen hatte er jahrzehntelang immer weiter verstärkt. Doch es würde ihn viel Kraft kosten und seine Rückkehr weiter verzögern. Nein, hatte er letztendlich entschieden, es war die Mühe nicht wert und auch nicht so grausam wie das Schicksal, welches ihr ohnehin bald bevorstand. Ihr schwacher sterblicher Verstand würde der Leere nicht mehr lange trotzen können und ihr körperloser Geist würde – auf ewig wahnsinnig – durch das Nichts schweben.


    Stattdessen hatte er eine bessere Verwendung für seine Macht gefunden. Er war jetzt so nahe, dass sein Geist auch andere Wesen erreichen konnte. Die letzten Wochen hatte er damit verbracht, ihnen seinen Plan einzuflüstern. Oh, es war leicht gewesen, so leicht. Ihr Krieg stand schlecht und sie waren verzweifelt. Jeden kleinsten seiner Gedanken hatten sie dankbar aufgenommen. Sie glaubten wirklich, es würde ihn kümmern, ob diese nichtswürdigen Milben oder die Reptilien, die sie ihre Feinde nannten, überlebten. Letztendlich würde er sie alle vernichten.
    Doch in der Zwischenzeit würden sie die nötige Lebensenergie für ihn besorgen. Ob die Patrouillen, die sie ausschickten, starben oder töteten, machte für ihn keinen Unterschied, die Lebensenergie wäre sein. Und bald schon würde ihm die ganze Welt gehören.


    Bald... so bald...

  • „Loravic?“ Sir Darion runzelte die Stirn. Der Schreiber fuhr hoch. „Wie? Ah, entschuldigt, Ratsherr. Ich fürchte, ich war in Gedanken. Der Bericht? Natürlich, sofort.“ Er räusperte sich und griff nach einer Schriftrolle. „Wie schon gesagt, hatte Fähnrich Sebastian Kundschafter angeworben, die sich in der Terathan Feste einmal umsehen sollten und dabei auf einen geheimnisvollen Altar gestoßen sind. Die Feste ist auch früher schon erforscht worden und in den alten Berichten ist von diesem Altar nichts zu finden. Daher zogen wir den Schluss, dass dieser und das Ritual, welches die Arachniden vorbereiten, in direktem Zusammenhang mit ihrem merkwürdig aggressiven Verhalten steht und das Ritual verhindert werden muss.“


    Der Hofschreiber sah kurz auf und Sir Darion bedeutete ihm mit einer knappen Geste, fortzufahren. „Nun, die aktuelle Situation gestaltet sich folgendermaßen: Conway von der Garde hat nahe des Terathan Keep Aufstellung genommen und tut alles, das Ritual zu verhindern. Anscheinend spielen bei dem Ritual eine Tasche, ein Schwert, ein Schild und Handschuhe eine entscheidende Rolle. Diese ließ er von ein paar wackeren Kriegern entwenden. Allerdings...“ Er stockte. „Ende gut, alles gut“, warf Sir Auston fröhlich ein.


    Andor Axtschwinger warf dem Verwalter von Vesper einen abschätzigen Blick zu. „Ende gut, alles gut“, äffte er den kleineren Mann nach, „Ihr habt wohl den Verstand verloren. Loravic, sagt ihm, dass er sich irrt.“
    Der Hofschreiber sah ihn kurz mit geistesabwesendem Blick an, dann fing er sich wieder. „Man hätte annehmen sollen“, begann er diplomatisch, „dass der Verlust der Ritualgegenstände den Eifer der Spinnenwesen bremsen würde, doch tatsächlich ist dies nicht der Fall. Im Gegenteil. Nicht nur, dass sie ihre Vorbereitungen fortsetzen, ihr Eifer scheint mit jedem Tag noch zuzunehmen.“
    Wieder war ein Räuspern zu vernehmen, diesmal aber vom Kopfende des Tisches, wo Sir Darion sich nun in seinem Stuhl vorbeugte. „Loravic, Euch geht doch etwas im Kopf herum. Warum teilt Ihr Eure Gedanken nicht mit uns?“, fragte er in einem aufmunternden Tonfall.


    Der Hofschreiber seufzte leise. „Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, wo ich anfangen soll. Das alles kommt mir reichlich merkwürdig vor.“ Er hob einen Finger in die Luft. „Erstens die Invasion der Juka in Trinsic, die nicht wirklich einen Sinn ergeben hat.“ Ein zweiter Finger erhob sich. „Dann der Bau dieses Gebäudes auf Ilshenar, der im letzten Augenblick verhindert werden konnte.“ Ein dritter Finger. „Nicht zu vergessen die Berichte von dem riesigen Dämon, der während der Kämpfe schemenhaft auf dem Dach des Gebäudes zu sehen war. Und viertens“, fuhr er fort, während er einen weiteren Finger ausstreckte, „das ungewöhnliche Verhalten der Terathan, die nun auch ein geheimnisvoller Bau-Zwang beherrscht und die ebenfalls auf ein Ritual hinarbeiten, deren Ziel uns wie schon bei den Juka völlig unbekannt ist.“


    Er ließ die Hand wieder sinken und schüttelte den Kopf. „Vielleicht bin ich paranoid, aber ich denke, hier zeichnet sich ein Muster ab. Beim letzten Mal ist es noch gut gegangen und die Menschheit konnte das Ritual gerade noch rechtzeitig beenden, doch ich meine, wir sollten Vorsicht walten lassen und uns auf das Schlimmste gefasst machen. Die Macht, die hinter all dem steht, darf nicht unterschätzt werden.“ Er sank auf seinem Stuhl zusammen und schien plötzlich um Jahre gealtert. „Es ist meine Schuld“, meinte er leise, „ich hätte die Angelegenheit nicht auf sich beruhen lassen dürfen. Es gehört mit zu meinem Beruf, ungewöhnliche Vorkommnisse zu recherchieren. Ich fürchte, ich werde träge auf meine alten Tage.“


    „Macht Euch keine Vorwürfe, Hofschreiber.“ Die sanfte, klare Stimme von Synaeva brach die peinliche Stille, die auf Loravics Rede gefolgt war. „Wenn Ihr mit Eurer Vermutung Recht habt, dann trifft diese Schuld uns alle. Außerdem...“, die Elfe machte eine kleine Pause, „seid ihr ein Mensch und Menschen machen nun einmal Fehler.“ Das Wort Menschen hatte sie besonders betont. Loravic sah gerade noch rechtzeitig auf, um das feine Lächeln zu sehen, das ihren Worten die Spitze nahm. Er lächelte dankbar zurück.


    Nun ergriff Sir Darion wieder das Wort: „Synaeva vom Baum spricht wahr, wir alle müssen uns dieses Versäumnis anrechnen lassen.“ Einzelne Ratsmitglieder wollten protestieren, doch er hob schnell die Hand und sprach weiter. „Vielleicht irrt sich unser geschätzter Hofschreiber ja auch und ich denke, niemand wäre zufriedener als er selbst, wenn es so wäre. Doch wir müssen vom Schlimmsten ausgehen und dürfen nichts als gegeben hinnehmen. Der Preis für einen Irrtum wäre einfach zu groß.“ Er sah sich in der Runde um. „Hat jemand noch etwas hinzuzufügen?“


    Sir Andor hieb mit der Faust auf den Tisch. „Wer sich für unbesiegbar hält, ist schon besiegt, pflegte mein alter Waffenmeister immer zu sagen. Gerade vorhin bekam ich eine Depesche, dass die Terathan einen Angriff auf Delucia planen. Sie haben sogar einen Anführer ernannt.“ Er grinste breit, als er die erschrockenen Gesichter der anderen Ratsmitglieder sah. „Keine Sorge“, dröhnte er, „um diese Angelegenheit wird sich schon gekümmert. Aber es wird wohl nicht schaden, die Bürger zu den Waffen zu rufen. Wenn wir uns irren, wird es kaum schaden, aber wenn nicht...“ Er ließ den Satz offen. Schließlich war es Sherzane an Benlimon, der den Satz für ihn beendete: „Wenn nicht, dann brauchen wir jede Hilfe, die wir bekommen können.“

  • „Meister Loravic, möchtet Ihr einen Tee?“ Alberts Stimme riss den Schreiber aus seiner Lektüre. Mit einer schnellen Bewegung klappte er das Buch zu. „Albert, ich habe keine Zeit für Tee.“, fuhr er seinen Assistenten an. „Ich weiß, dass ich den Namen Ventarius schon einmal gelesen habe.“ Wütend schlug er mit der flachen Hand auf den Tisch. Einer der größeren Bücherstapel geriet ins Wanken und er griff schnell zu, um ihn zu stützen. Dann seufzte er und lächelte seinen Assistenten müde an.
    „Entschuldige, mein Bester. Ich kann einfach an nichts anderes mehr denken. Der Name wurde mir von mehreren Soldaten genannt, die bei dem Kampf gegen die Juka auf Ilshenar dabei waren. Der Dämon nannte sich selbst Ventarius, da waren sich alle einig. Wenn ich nur wüsste, wo ich ihn bereits gelesen habe...“
    Albert schüttelte missbilligend den Kopf. „Ihr müsst Euch etwas Ruhe gönnen, dann wird die Erinnerung schon kommen. Steht nicht geschrieben, dass Entspannung der Schlüssel zu Erkenntnis und Geduld ein sicherer Hafen ist?“
    Loravic lachte bitter. „Kein Hafen wird sicher sein, wenn wir nicht...“ Er sprang auf. „Albert“, rief er. „Du bist ein Genie. Er rannte zu einem der Regale und nahm ein altes Buch aus einem der Regale. Er blätterte ein wenig darin herum und begann zu lesen. Albert trat näher und sah ihm über die Schulter. „Die Chroniken von Uzeraan?“, fragte er seinen Meister überrascht.


    Loravic sah auf. „Ventarius war der wahre Name des Dämons, der in Haven von Uzeraan gefangen gehalten wurde.“ Albert keuchte erschrocken. „Der Dämon, der ganz Haven in Schutt und Asche gelegt hat?“
    Loravic rannte bereits zur Tür. „Ich muss sofort zu Andor und Sir Darion.“ Er öffnete die Tür und sprang erschrocken zurück. Draußen stand ein Bote. „Meister Loravic, die Dinge haben sich zugespitzt. Wir müssen sofort handeln und ihr sollt umgehend zu Sir Darion kommen. Er befindet sich schon auf dem Weg zum Thronsaal.“