Was bisher geschah:
Strahlend erhob Albert sein Glas und prostete Loravic zu, der ihm zulächelte und mit seinem Glas eine kleine Geste vollführte, die man beinahe als Winken bezeichnen konnte.
"Das war mit Abstand der glücklichste Moment in meinem Leben, Meister Loravic!", erklärte er und trank einen Schluck.
Loravics Mundwinkel zuckten leicht, als er ebenfalls das Glas an die Lippen hob. Dann setzte er ein gespielt ernstes Gesicht auf und stellte das Glas auf einen kleinen Tisch neben sich.
"Albert", erklärte er in dem würdevollen Ton, den sein Gehilfe und Lehrling gerne auch als seine offizielle Stimme bezeichnete. Der sah ihn überrascht an. Dieser Tonfall war normalerweise nur für hochoffizielle Anlässe - und Leute, denen sein Meister die Leviten las - reserviert. Sein breites Grinsen wich einem etwas verunsicherten Lächeln. "Meister"?
Loravic schüttelte den Kopf. "Albert", wiederholte er dann und blickte sein Gegenüber missbilligend an. "Wie lange bist du nun schon bei mir?", fragte er und wandte sich ab, damit Albert das verräterische Zucken in seinem Gesicht nicht sah.
"Das...", Albert überlegte kurz, "das müssen jetzt über vier Jahre sein."
Loravic hatte sich mittlerweile wieder unter Kontrolle und wirbelte zu dem jüngeren Mann herum. "Und was ist vor einer knappen Stunde geschehen?" Sein Zeigefinger deutete beinahe anklagend auf den Lehrling. Albert, der immer noch nicht wusste, wie ihm geschah, straffte die Schultern. "Sir Darion ernannte mich zum Zweiten Bibliothekar.", erklärte er förmlich.
"Ganz genau", rief der Hofchronist und riss in einer dramatischen Geste den Zeigefinder in die Luft, eine Geste, die er vor vielen Jahren im Gericht von Yew bei einem Ankläger gesehen hatte. "Du bist also nicht mehr mein Lehrling", fuhr er dann leiser fort, "und dies wiederum bedeutet, dass du - mein verehrter Kollege - künftig auf das Meister verzichten und mich schlicht und einfach Loravic nennen MUSST." Er griff wieder nach seinem Glas und sprach dann lächelnd weiter. "Übrigens etwas, das ich dir schon vor Jahren angeboten habe und das...", er prostete Albert zu, "das Ihr nun unter diesen Umständen keinesfalls mehr ablehnen könnt, Meister Albert, Zweiter Hofbibliothekar zu Britain."
Er nahm einen tiefen Zug aus seinem Glas und genoss den Gesichtsausdruck seines frischgebackenen Kollegen.
Eine Zeitlang stand Albert nur da, während sein Grinsen langsam wiederkehrte. In seinen Augen glitzerte es feucht und er zwinkerte mehrfach, bevor er etwas sagte. "Ich habe mich geirrt, Loravic." Seine Stimme klang belegt. "Die Ernennung war nicht der glücklichste Moment in meinem Leben, dieser hier ist es."
Der alte Mann trat näher und betrachtete ihn mit einem Stolz, den selbst sein Vater nicht stärker hätte empfinden können. Dann legte er ihm die Hand auf die Schulter. "Du hast ihn dir verdient, mein Junge.", meinte er leise.
Dann trag er zurück und nahm in einem der bequemen Sessel Platz, das Glas noch in der Hand. "Habe ich dir eigentlich schon gesagt, dass mich deine Abschlussarbeit sehr beeindruckt hat? Sie ist in jeder Hinsicht ein Meisterstück." Er drehte das leere Glas zwischen den Handflächen. "Gut recherchiert, klare Fakten und doch...", er zögerte, "... man spürt beim Lesen eine Leidenschaft, welche die Figuren geradezu zum Leben erweckt. Aber sag mal, wie bist du nur auf diesen ungewöhnlichen Protagonisten gekommen?"
Albert lachte. "Das war einfach, sie hat mich schon als kleiner Junge fasziniert. Damals war ich noch sehr jung, aber mein Großvater musste mir die Geschichten immer und immer wieder erzählen."
Es war dunkel in Britain, doch der kleine pelzige Späher hatte eine ausgezeichnete Nachtsicht. Der nackte Schwanz zuckte nervös, als er seine spitze Schnauze an die Scheibe drückte und ins Innere spähte. Drinnen lag ein junger Mann im Bett und schnarchte leise. Er hatte sich noch mehrere Stunden mit seinem ehemaligen Meister unterhalten, sie hatten über Geschichte diskutiert, Anekdoten aus seiner Lehrzeit ausgegraben und viel gelacht.
Kleine Knopfaugen, in denen eine unverhohlene Gier glomm, sahen ihn durch die Scheibe an. Nach einiger Zeit wandte der Späher sich ab und stieß ein schrilles Quieken aus. Er wartete. Eine Antwort ertönte aus einer Nebenstraße und ein weiteres Piepsen erklang von einem weiter entfernten Ort. Geschickt kletterte er an der Wand hinunter und verschwand um die Ecke
Albert, der das Fiepen im Schlaf gehört hatte, wälzte sich im Bett herum. "Wie schön. Du bist auch hier, um mir zu gratulieren.", murmelte er im Halbschlaf. Dann schlugen die Wellen des Schlafs wieder über ihm zusammen.
Soweit die Geschehnisse dieser Nacht. Große Ereignisse werfen ihre (zugegebenermaßen noch kleinen) Schatten voraus.
Nähere Informationen folgen.
Viel Vergnügen wünscht
Euer Staff